*CHRISTIAN TEISSL und MARIO HLADICZ, zwei außergewöhnliche Lyriker*
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*Eine Veranstaltung der Landesbibliothek*
Christian Teissl "Stadtauswärts"
Stadtauswärts, stadtauswärts bewegt sich der Lyriker - in drei Überkapiteln, die ihn Jahrauf, jahrab entlang von Primelschrift und Magnolienlicht, zu Augustmond und Schneemähnen hin zu Fundstücken, schließlich zu Abschieden führen. In unterschiedlicher Länge und gleichbleibender Dichte erzählt er Bilder und (Lebens) Geschichten. Und so nebenbei entwickelt er eine Art von spezifischem Gewicht der Lyrik, wenn er immer wieder auf „Siebzehnsilber" verweist - ein Terminus, der sich auch durchaus doppeldeutig lesen lässt. Was im Frühling beginnt, ist bereits die Beschwörung des Sommers, der die Hoffnung auf Ewigkeit niemals einlöst, dem Bangen, das Herbst und Winter vorausgeht, steht u.a. ein „Denkmal für eine Rose" entgegen.
Die Stadt ist nicht feindlich, sie ist durchaus auch Ort der Rückkehr, wo Geborgenheit ist, wo dem Dunkel der längsten Nacht des Jahres das Singen von Sommerliedern entgegengetrotzt wird - aber die Ränder des Urbanen sind melancholisch besetzt, „bewohnbar nur für Flutlicht und Wind". Vielleicht aber sind es - auch - die ungetrösteten Peripherien, die Erinnerungen heraufwehen, wo sich im Sand der Erinnerung Fundstücke offenbaren:
„Ehe man mir das Fürchten beibrachte / lag vor den Fenstern unseres Hauses / ein summender Ozean." Behutsam und ergreifend legt der Lyriker nicht nur Bruch-Stücke der eigenen Vergangenheit frei, er lässt beispielsweise auch eine sepiabraune Photographie aus dem Jahr 1912 die Geschichte eines Liebespaares erzählen, hat einen feinen Seismographen für Konformitätsverweigerer, Eigenbrötler, Ausgegrenzte, Erschöpfte - oder für einen Entwurzelten, der eine gefällte Trauerweide vermisst.
Im Abschnitt Abschiede würdigt Christian Teissl in stiller Verbeugung jene, die aus seinem Bildausschnitt Leben gegangen sind - jedes Gedicht ein in Memoriam, das die individuelle Strahlkraft - auch die düstere - dieser Existenzen schlank und unpathetisch nachschraffiert.
Mit Mario Hladicz hat vor wenigen Jahren ein junger Dichter die Bühne der Grazer Literaturszene betreten, der zunächst mit Kurzprosa (für die er 2014 mit dem Literaturförderungspreis der Stadt Graz ausgezeichnet wurde), dann zunehmend auch mit Lyrik auf sich aufmerksam machte. Nach einigen Veröffentlichungen in Literaturzeitschriften und Anthologien legt er nun sein erstes Buch vor.
Hladicz's Gedichte schildern in einem unaufgeregten, geradezu lapidaren Tonfall Konstellationen und Begebenheiten von scheinbarer Alltäglichkeit, denen jedoch ein irritierender, an den Grundfesten dieses Alltags rüttelnder Subtext eingeschrieben ist. Wie in Egon Schieles bekanntem Gemälde Wohnzimmer in Neulengbach die Wiedergabe des privaten Lebensumfeldes durch die angedeutete Verschiebung stabil geglaubter Zusammenhänge eine surreale Aufladung erfährt, so bilden auch Hladiczʼs Gedichte zwischen Uhr und Bett die eigenen vier Wände und die täglichen Wege als Orte des Vertrauten und gleichzeitig zutiefst Unvertrauten ab, das ständig aus dem realen Rahmen herauszustürzen droht.
Doch Hladicz gibt sich nicht damit zufrieden, bloß den Finger auf die Risse in der so genannten Wirklichkeit zu legen. Seine Gedichte bezeugen darüber hinaus ein tiefes Einfühlen in die Zerbrechlichkeit des Menschen, das den oft schmerzlichen Blick in die Abgründe des Absurden oder Surrealen mit einem großzügigen poetischen Gegenentwurf abzugelten weiß. »So viel Poesie / vor dem Haus gestapelt / zur freien Entnahme«, lautet denn auch, beinahe in der Art einer Schlussfolgerung, ein Kurzgedicht am Ende dieses Bandes.