Erzherzog Franz Ferdinand von Österreich-Este
Erzherzog Franz Ferdinand (1863-1914), Portrait aus der Fotosammlung der Landesbibliothek:
Die Landesbibliothek präsentiert an dieser Stelle besondere Stücke aus ihrem Bestand. Aus aktuellem Anlass zeigen wir hier ein Foto von Erzherzog Franz Ferdinand, der vor 100 Jahren am 28. Juni 1914 in Sarajewo als Thronfolger der Österreich-Ungarischen Monarchie ermordet worden ist. Das Foto zeigt den Erzherzog um 1914 und wurde vom Hofphotografen Hermann Clemens Kosel angefertigt. In die Landesbibliothek gelangte es durch eine Schenkung.
Franz Ferdinand wurde am 18.12.1863 als ältester Sohn Erzherzog Karl Ludwigs sowie Maria Annunziata von Neapel-Sizilien in Palais Khuenburg-Dietrichstein, Sackstraße 18 (beherbergt heute das Grazer Stadtmuseum), in Graz geboren und verbrachte die ersten drei Jahre in Graz.
Den Beinnamen „Este" erhielt Franz Ferdinand als 12-jähriger (1875), als er das Erbe von dem der habsburgischen Tertiogenitur entstammenden Herzog Franz V. von Modena (1875), der keine männlichen Erben hinterließ, antrat und ab dann den Titel „von Österreich-Este" führte.
Bereits im Alter von neun Jahren war die Jagdleidenschaft in Franz Ferdinand erwacht, was ihm den Beinamen „Schießer" einbringen sollte.
Im Laufe seines Lebens erlegte er 272.511 Stück Wild, wobei ihm den jeweiligen „Nützlichkeitsklassen" gemäß auch Fischotter, Eichhörnchen, Igel, Adler, Falken, Eulen, Würger und Möwen der Jagdleidenschaft zum Opfer gefallen sind.
Um wie alle Erzherzöge die militärische Laufbahn einzuschlagen, rückte Erzherzog Franz Ferdinand im November 1883 zum Dragonerregiment Nr. 4 nach Enns ein. Eine weitere Station war das Infanterieregiment Nr. 102 in Prag, das er 1890 verließ, um im Range eines Obersten bis 1892 das Husarenregiment Nr. 9 in Ödenburg (Sopron) zu befehligen. Diese Jahre sollten auch die Einstellung gegenüber den Magyaren festlegen und die Sichtweise des Nationalitätenproblems prägen.
1908 leitete Erzherzog Ferdinand erstmals selbst die Manöver und im Jahre 1913 erfolgte die Ernennung zum Generalinspektor der gesamten bewaffneten Macht.
Von der Mutter erblich belastet, brach bei ihm Ende 1894 die Lungentuberkulose aus, gegen die er zwei Jahre letztlich erfolgreich ankämpfte.
Am 25. Juni 1900 erhielt Franz Ferdinand vom Kaiser die Bewilligung, die nicht standesgemäße einfache Komtesse Sophie Chotek von Chokowa und Wognin (1868 -1914) zu ehelichen. Die aus dieser „morganatischen" Ehe entspringenden Kinder hatten nicht als Habsburger zu gelten, sondern erhielten nur jenen Titel der „linken" Hand (Mutter).
Von seinem Vater Karl Ludwig erhielt der Erzherzog im April 1889 das Schloss Artstetten in Niederösterreich geschenkt, das der Modernisierung und einer dem Stand der Technik entsprechenden Adaptierung unterzogen wurde. Entsprechende Bedeutung erlangte diese Anlage durch den 1909 erfolgten Bau der Gruft, in der Franz Ferdinand samt Familie später bestattet wurde.
Als Franz-Ferdinand 1898 die neue „Disposition des Allerhöchsten Oberbefehls" erhielt, brachte dies nicht nur machtpolitische Einflussnahme auf den Bereich des Militärs mit sich, sondern stellte auch die Grundlage für sein neues Politikfeld dar. Im Zentrum des Geschehens stand dabei die „Militärkanzlei", die zuerst im Schweizer Hof an der Säulenstiege der Hofburg untergebracht war und später in das „Untere Belvedere" Franz Ferdinands Residenz, übersiedelte, wo sie bis Juli 1914 blieb.
Der nunmehrige Thronfolger Franz Ferdinand kündigte im Dezember 1913 für das Frühjahr 1914 seinen Besuch in Sarajevo an; Die Serben kritisierten die Absicht Franz Ferdinands, sich am 28. Juni, dem Vidovdan (St.-Veits-Tag), dem serbischen Nationalfeiertag in Sarajevo der Öffentlichkeit zu zeigen. Den historischen Hintergrund für diesen Feiertag bildete der 28. Juni 1389, als die Serben auf dem Amselfeld (Kosovo-polje) von den Türken unter Murad I in einer Schlacht vernichtend geschlagen wurden und für Jahrhunderte ihre Freiheit verloren.
Der Sonntag, 28. Juni 1914, begann für Franz Ferdinand und Sophie mit einer „stillen Messe", danach bestiegen Franz Ferdinand, Sophie, der bosnische Landeschef Feldzeugmeister Oskar Potiorek sowie sein Stab die Autos zur Fahrt nach Sarajevo.
Das erste Attentat in Sarajevo am 28. Juni 1914 verübte der gelernte Buchdrucker Nedeljko Čabrinović um 10.26 Uhr, als er eine entsicherte Handgranate gegen das in Konvoi fahrende Auto des Thronfolgers warf, die jedoch auf dem zurückgeklappten Verdeck abprallte und unter das nachkommende Auto rollte und explodierte. Die sich in diesem Auto befindlichen Personen wurden teilweise schwer verletzt. Čabrinović wollte sich durch einen Sprung in den Miljačka-Fluss und durch das Schlucken von Zyankali der Verhaftung entziehen, konnte aber festgenommen werden.
Franz Ferdinand, als Thronfolger von Österreich-Ungarn sowie seine Frau Sopie wurden um 10.50 Uhr in Sarajevo vom serbischen Nationalisten Gavrilo Princip durch mehrere Pistolenschüsse lebensgefährlich verletzt.
Das bereits bewusstlose Thronfolgerpaar wurde mit dem Auto zur Residenz des Landeschefs in das in der Nähe liegende Konak gebracht, wo die Ärzte allerdings nur noch den Tod feststellen konnten. Landeschef Potiorek berichtete telegraphisch diese Vorkommnisse dem Kaiser nach Bad Ischl und dem Finanzministerium nach Wien.
Die Überführung der Toten erfolgte am 29. Juni 1914 mit einem Sonderzug, der samt Gefolgschaft am 2. Juli um zehn Uhr nachts in Wien eintraf. Der Weitertransport nach Artstetten geschah am 4. Juli 1914.
Durch das Attentat wurde die sogenannte „Juli-Krise" ausgelöst. Nachdem der deutsche Kaiser Wilhelm II. Österreich-Ungarn durch eine „Blanko-Vollmacht" die Unterstützung des Deutschen Reiches zugesichert hatte, erklärte Wien am 28. Juli Serbien den Krieg. Dies war letztlich der Auslöser für den späteren 1. Weltkrieg (1914-1918).
Literarischen Niederschlag fand das Attentat unter anderem in Milo Dors Roman „Der letzte Sonntag. Bericht über das Attentat von Sarajevo", Stefan Zweigs „Die Welt von Gestern", Karl Kraus „Die letzten Tage der Menschheit" oder Jaroslav Hasek´s „Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk", Joseph Roths „Radetzkymarsch" oder Ludwig Winders Roman „Der Thronfolger".
Dr. Günther Perchtold
Eine Auswahl von in der Landesbibliothek befindlicher Literatur zum Thema finden Sie nachstehend - auch mit der entsprechenden Signatur versehen:
Aichelburg, Wladimir, Erzherzog Franz Ferdinand von Österreich-Este 1863 - 1914. Europas Weg zur Apokalypse ; Notizen zu einem ungewöhnlichen Tagebuch eines außergewöhnlichen Lebens, 3 Bd.; Horn 2014.
Sign.: LA 563545 II
Aichelburg, Wladimir, Sarajevo, 28. Juni 1914. Das Attentat auf Erzherzog Franz Ferdinand von Österreich-Este in Bilddokumenten, Wien 1984.
Sign.: LA 513259 III
Bled, Jean-Paul, Franz Ferdinand. Der eigensinnige Thronfolger, Wien/Köln/Weimar 2013.
Sign.: LA 563499 II
Dienes, Gerhard M., Erzherzog Ferdinand von Österreich - ein gebürtiger Grazer, In: Blätter für Heimatkunde, Jg. 60, H. 4. (1986), S. 105 - 112.
Dienes, Gerhard M. (Red.), Erzherzog Franz Ferdinand von Österreich-Este (1863-1914). Ausstellung im Geburtshaus, Sackstraße 18, 2. Juli bis 28. Juli 1984, Graz 1984.
Sign.: A 513609 III
Dor, Milo, Der letzte Sonntag. Bericht über das Attentat von Sarajewo, Wien 1982.
Sign.: L 31 711635 I
Franz, Ferdinand, In: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815 - 1950, Bd. 1, Graz 1957, S. 350 - 351
Hannig, Alma, Franz Ferdinand. Eine Biografie, Wien 2013.
Sign.: LA 563057 II
Hasek, Jaroslav, Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk, 9. Aufl., Berlin 1985.
Sign.: 318342 I
Johnston, William. M., Österreichische Kultur- und Geistesgeschichte. Gesellschaft und Ideen im Donauraum, 1848 bis 1938, Wien/Graz 1974.
Sign.: 601158 II/1
Kann, Robert A., Erzherzog Franz Ferdinand. Studien. (= Veröffentlichungen des Österreichischen Ost- und Südosteuropa-Instituts, Bd. X), Wien 1976.
Sign.: C 259998 II/10
Kiszling, Rudolf, Erzherzog Franz Ferdinand von Österreich Este. Leben, Pläne und Wirken am Schicksalsweg der Donaumonarchie, Graz 1953.
Sign.: A 179825 I
Kraus, Karl, Die letzten Tage der Menschheit. Bühnenfassung des Autors, 1. Aufl., Frankfurt/Main 1992.
Sign.: 175586 I/1091
Martin, Rüdiger/Martin Günther, In den Jagdrevieren auf den Spuren der Habsburger, Wien 1994.
Sign.: L31.04 749864 III
Polatschek, Max, Franz Ferdinand. Europas verlorene Hoffnung, Wien 1989.
Sign.: LA 518857 II
Praschl-Bichler, Gabriele, Die Habsburger in Graz, Graz 1998.
Sign.: LA 529277 I
Roth, Joseph, Radetzkymarsch. Roman, 15. Aufl., Köln 1998.
Sign.: 330529 I
Spira, Leopold (Hrsg.), Attentate, Österreich erschütterten, Wien 1981.
Sign.: 308707 I
Weissensteiner, Fiedrich, Franz Ferdinand. Der verhinderte Herrscher, 2. Aufl., Wien 1984
Sign.: LA 522153 I
Winder, Ludwig, Der Thronfolger. Ein Franz-Ferdinand-Roman, 1. Aufl., Berlin 1984.
Sign.: 407182 I
Zontar, Joze (Hg.), Handbücher und Karten zur Verwaltungsstruktur in den Ländern Kärnten, Krain, Küstenland und Steiermark bis zum Jahre 1918 (= Veröffentlichungen des Steiermärkischen Landesarchives, Bd. 15), Graz u.a. 1988.
Sign.: A 257618 II/15
Zweig, Stefan, Die Welt von Gestern. Erinnerungen eines Europäers, Frankfurt/Main 1978.
Sign.: L7 707347 I