* Bibliothek erlesen * WOLFGANG MARTIN ROTH liest aus seinem Roman "Die Schuhe der Väter"
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Wolfgang Martin Roth
Geboren 1946, lebt als freier Schriftsteller, Psychotherapeut und Gruppenanalytiker in Wien und Fréjus, Südfrankreich. Neben zahlreichen Fachpublikationen in Gruppenanalyse veröffentlichte der ehemalige ev. Pfarrer aus Wiesbaden u.a. die Erzählung Die Neinstimme von Altaussee, Sonderzahl Verlag, Wien 2019 und zuletzt den Gedichtband In der Nähe ihres Ringfingers. Pariser Fragmente, Löcker Verlag, Wien 2022. Mehrere Hörspiele wurden im Deutschlandfunk, WDR und ORF gesendet, 2008 wurde er mit dem 1. Preis der Zonser Hörspieltage ausgezeichnet.
Er ist Mitgründer des PEN Berlin und war von 2015 bis 2020 Beauftragter für „Writers-in-Prison" beim Österreichischen P.E.N.
Die Schuhe der Väter
„Eigentlich hatte ich eine recht gute Kindheit, obwohl meine Lederhose, als sie endlich speckig war, in der Kochwäsche jeden Glanz verlor. Und da war natürlich auch die Sache mit den Ohren. In unserer Wohnung muffelte es nach Klausenburger Kraut, ein süß-saurer Ekelgeruch. Mein Vater war Siebenbürger und ich sollte auch einer werden."
Der tief berührende neue Roman von Wolfgang Martin Roth über eine Kindheit und Jugend in den 1950er Jahren in Göttingen und die große Recherche über einen Vater aus Siebenbürgen.
Kurz nach seiner Pensionierung als Arzt steht Bodo einmal mehr vor den Trümmern einer Ehe. Doch statt eines glücklichen Neuanfangs in der vertrauten Gegend seiner Kindheit, sieht er sich plötzlich mit einer Notiz seines Vaters konfrontiert, die alles in Frage stellt - und ihn noch einmal zurückzwingt in das Kaminzimmer seiner Kindheit. Hier wurde vorgelesen, gesungen und gebetet, hier wurde gemeinsam gefeiert, hier wurden die Gäste der Familie empfangen. Doch der schöne Schein hat einen tiefen Schatten, der bis in die Gegenwart reicht. Im Kaminzimmer mussten die Kinder auch zum Straf-Appell antreten.
Nach und nach fächert Wolfgang Martin Roth mit seinem Protagonisten und Erzähler Bodo die Stationen einer Kindheit und Jugend in den 1950er Jahren in Göttingen auf, in denen Blue Jeans, Bomberjacken, Kaugummis und die Schokolade der „Amis" noch Attraktionen waren. Sie führen vom Elternhaus und von den ersten Abenteuern auf der Straße über ein Kinderheim bis in den Jugendknast und legen die fatale Grammatur einer radikal fehlgeschlagenen Erziehung des Herzens frei. Verknüpft sind die Erinnerungen von Bodo mit einer großen Recherche über den Vater, der ein Theologe und Professor in Göttingen war und im frühen Nachkriegsdeutschland eine Institution für seine siebenbürgischen Landsleute. Sein Sohn wünscht sich in seiner Kindheit nichts mehr als selbst so ein „Siebenbürger" zu werden. Jetzt versucht er verzweifelt, in den siebenbürgischen Verstrickungen in der NS-Zeit ein Gegenbild zum Narrativ des charismatischen, beliebten und hilfsbereiten Übervaters zu finden. Und gewinnt schließlich vor allem eine hoffnungsvolle Erkenntnis: „Nie will ich vergessen, was ich endlich erinnern kann."
„Roths Annäherung ans Familiengeschehen und die Verirrungen des Vaters in der
NS-Zeit sind psychologisch und historisch fundiert. [...] ist ein mindestens so
erschütterndes Dokument wie der Film ‚Das weiße Band‘ [von Michael Haneke]."
Ingeborg Szöllösi, Siebenbürger Zeitung